Früher baute man zusätzlich zu den Unterrichtsräumen häufig auch eine Aula für schulische Abschlussfeiern, musikalische Darbietungen oder andere repräsentative Veranstaltungen. In den 50er und 60er Jahren wurden in Abkehr von der Ideologie der 'abhärtenden' Schulhöfe auch Pausenhallen für den Aufenthalt in den Pausen für die die nasskalte Jahreszeit realisiert. Mit dem Einzug der ganztägigen Beschulung kam dann die Notwendigkeit einer Mensa hinzu, so dass spätestens zu diesem Zeitpunkt über die Rentabilität der vielen Großflächen einer Schule nachgedacht wurde, die häufig über weite Zeiträume des Tages oder gar einer Schulwoche leer standen, weil ihre Funktion nur recht eingeschränkt genutzt wurde, aber beim Bau und Unterhalt mit sehr hohen Kosten zu Buche schlugen.
Die Zauberworte zur Lösung dieses Kostenproblems sind dabei die 'multifunktionelle Nutzung' einer 'Gemeinsamen Mitte'.
Zur 'Gemeinsamen Mitte' werden folgende Bereiche räumlich und organisatorisch zusammengefasst:
1. Das Foyer bzw. der Empfangsbereich verbunden mit einer Aufenthaltszone während der Pausen,
2. die Aula oder das Forum verbunden mit dem Aufführungsbereich der Schule,
3. die Mensa/Cafeteria oder auch das Schulrestaurant,
4. die Bibliothek, vielfach auch 'Selbstlernzentrum' genannt.
Die damit verbundenen Kompromisse sollen aber nicht unterschlagen werden, sondern runden diese Seite ab.
1. Eingangsbereich und Aufenthaltszone
In den 'Schulen im Park' aus den 60er/70er Jahren mit ihren verstreut liegenden Gebäuden gab es mit Sicherheit viel frische Luft, aber die Suche nach der 'Adresse' der Schule, z.B. der Verwaltung oder dem Aufführungsort gestaltete sich für alle Besucher häufig als schwierig. Heutige Baukonzepte sehen repräsentative Eingangsbereiche mit einem klaren Orientierungssystem vor, häufig ist damit auch die innerschulische Erschließung in die oberen Stockwerke verbunden. Bevorzugtes Stilelement - gerade auch zum Aufenthalt der Schüler - sind dabei vielfach gestaltete Treppen und Sitzstufen.
2. Aula und Aufführungsbereich
Hier sind bzgl. fester Räume die größten Abstriche gemacht worden, da die Nutzung der Aulen vielerorts sehr begrenzt war, so dass man heute aus der Verbindung des Eingangs- und Aufenthaltsbereichs mit zeitweilig zuschaltbaren Bühnen- und Backstageflächen eine funktionale Einheit zu schaffen versucht, um im Bedarfsfall auch mehrere hundert Zuschauer an einem schulischen Ereignis teilhaben lassen zu können. Dabei erweisen sich Treppen und Sitzstufen als sehr geeignet. Dieser Bereich sollte auch so im Gebäude angeordnet bzw. auch schließbar sein, dass der Veranstaltungsbereich getrennt von der übrigen Schule geöffnet werden kann, um auch Öffnungen zum Stadtteil umsetzen zu können. Die Zugänglichkeit zu Toiletten und Haustechnik sowie ggf. auch einer Cateringeinheit ist dabei selbstverständlich.
3. Mensa/Cafeteria
Räumlich verbunden aber durch eine geschickte Zonierung dennoch abgetrennt wird heute vielfach die stets zunehmende Versorgungsfunktion der Schüler im Ganztagsbetrieb in der 'Gemeinsamen Mitte' realisiert. Allerdings sind bzgl. Bodenbelegen und Reinigung, Geruchsbelästigung und der Frage der Atmosphäre gewisse Abstriche in Kauf zu nehmen.
4. Bibliothek/Selbstlernzentrum
Anders sieht es hingegen bei der Bibliothek aus. Wenn überhaupt früher vorhanden, hat sich diese von einer reinen Ausleihstation zu einem zentralen Lernort mit Einbindung elektronischer Medien gewandelt und ist im Rahmen der Individualisierung des Lernens außerordentlich wichtig.
Probleme:
Multifunktionalität bedeutet immer das Eingehen von Kompromissen, die meistens zu Lasten einer Nutzungsform entschieden werden (müssen). Als Beispiele seien hier genannt:
- 'Guckkastenbühne': Die akustisch schlechteste aller Aufführungsorte ist eine aus Abschließ-/Abtrennbarkeitsgründen (insbesondere bei der Kombination von Sporthallen mit einem Bühnen’raum‘) geschaffene 'Guckkastenbühne' am Rande eines zentralen Raumes. Wenn dazu noch die obligaten schwarzen Vorhänge an der Rückwand oder gar Bühnengassen aus Stoff angebracht sind, gibt es ein massives akustisches Problem. Nur eine Rockband mit amtlicher Verstärkeranlage wird hier keine Präsentationsprobleme bekommen, allerdings Sprechtheater (mit unausgebildeten Schülerstimmen!), 'natürliche Instrumente' oder schwer zu verstärkende Gesangsensembles wie Chöre bedeuten für das Publikum nicht unbedingt den erhofften Kulturgenuss - man müsste dann schon ziemlich große Finanzmittel in die Tontechnik investieren (u. U. sogar Fachpersonal zur Bedienung heranziehen), um zumindest eine gewisse Kompensation zu erreichen.
- Verdunkelung: Von Theater und Aufführungen in den wärmeren Monaten (= länger hell) kann man sich getrost verabschieden, wenn es den Erbauern nicht gelingt, eine durchgängige effektive Verdunkelung einzurichten. Hier ist zu unterstellen, dass selbiges häufig auf dem Sparaltar geopfert werden wird, obwohl man ziemlich genau weiß, dass Schülertheater zumeist Jahresprojekte sind, die in den letzten Monaten des Schuljahres aufführungsreif sind und der Sonnenuntergang ist dann....Genau.
- Gemütlichkeit und Größe des Essenbereichs: Leider führt hier der Kompromiss nicht unbedingt zu dem, was man pädagogisch erreichen möchte: Eine jugendgerechte Gemütlichkeit in der Mensa. Multifunktionalität erfordert leicht zu schaffende, zusammenhängende Flächen und schnell umzubauende Möblierungen (und auf Kosten der Dienstzeiten der Hausmeisterei!), so dass alles, was Jugendliche lieben, wie Nischen und Ecken, wo man das Gefühl hat, 'unter sich zu sein', dem diametral widersprechen.
- Lärm: Um die entsprechende Akzeptanz bei den Nutzern zu erreichen, sind in der 'Gemeinsamen Mitte' auch beträchtliche Investitionen in den passiven Schallschutz notwendig (auch hier ein nicht lösbares Problem zwischen der Nutzung als Aufführungsort (mit hohen Nachhallzeiten) und eines Aufenthalt- und ggf. sogar Arbeitsortes für Aufsichtsführende (mit gewünscht sehr niedrigen Werten - Messungen haben verschiedentlich ergeben, dass die Aufsichten in den Mensen eigentlich ein Kapselgehörschutz tragen müssten!). Die Erbauer des Sint-Nicolaaslyceums in Amsterdam haben nicht ohne Grund in den Mensa-, Flur- und Treppenbereichen der Schule 44 000 (lärmmindernde) Baffles verklebt, bei der entsprechenden Rechnung dürfte manchem deutschen Kämmerer allerdings schwindelig werden. (Bilder zu 'Baffles' als Lärmschutzmaßnahmen in Holland und Deutschland unten).
- Und dann ist da noch der Brandschutz: Da die deutschen Schulbauverantwortlichen Sprinkleranlagen (im Gegensatz zu den skandinavischen oder holländischen!) offenbar scheuen wie der Teufel das bekannte Wasser, müssen für die Gewährung der Brandschutzauflagen ziemliche 'Verrenkungen' gemacht werden, die in aller Regel zu Lasten der pädagogischen Funktion gehen, gerade bei größeren, zusammenhängenden Flächen, wie sie nun einmal bei der gemeinsamen Mitte gegeben sind. Um z.B. der 'Kostenfalle' einer aufgeschalteten Brandmeldeanlage oder gar einer Sprinkleranlage zu entgehen, werden Galerien verglast, Trennwände eingebaut etc.. Reisende deutsche Lehrkräfte oder Bauverantwortliche in holländische/skandinavische Schulen stellen zumeist bewundernd fest, dass die Schulen dort eine ganz andere Gemütlichkeit austrahlen. Man kann dann nur lakonisch den Blick an die Decke empfehlen und fragen, warum das bei uns nicht geht. Ist es nicht ein zentrales Ziel der 'neuen Schulen', den Kindern dort einen L e b e n s o r t zu bieten?