Auf dieser Seite wird es leider etwas ‚juristisch’. Aber es soll damit auch deutlich werden, warum das KuMi in Baden-Württemberg als erstes Bundesland für neugebaute bzw. sanierte Schulgebäude in seinen Schulbauförderrichtlinien von 2015 vorschreibt, 6-8m2 je Vollzeitstelle (Lehrkraft) als Arbeitsräume (außerhalb der Schulleitung) vorzuhalten:
Der Hintergrund: Die Anforderungen an den Arbeitsplatz ‚Schule’ sind durch drei novellierte Gesetzesnormen wesentlich geändert bzw. präzisiert worden:
1. Durch die Neufassung der Arbeitsstättenverordnung vom 3.12.2016 ist der Arbeitsstättenbegriff der Verordnung und damit die gesamte VO für alle Arbeitsorte der Lehrkräfte in der Schule nunmehr ausnahmslos gültig.
2. In der selben Norm ist ebenfalls geregelt, dass der Arbeitgeber bei mehr als 10 Beschäftigten einen Pausenraum zur Verfügung zu stellen hat, es sei denn, die Beschäftigten sind in Büroräumen oder vergleichbaren Arbeitsräumen beschäftigt. Für diesen Pausen- oder Bereitschaftsraum gelten besondere Anforderungen. (ASR 4.2, S 3-5)
3. Mit der Ergänzung des Arbeitsschutzgesetzes in § 5, Abs.3, Ziffer 6 ist der Arbeitgeber seit dem 1.1.2013 gehalten, zusätzlich zu der bisherigen Gefährdungsbeurteilung nun auch „die psychische Belastung bei der Arbeit“ zu beurteilen und daran anschließend Maßnahmen zu ergreifen, um die festgestellten Belastungen zu reduzieren.
Zu 1.: Arbeitsstättenbegriff
In den Ausführungsbestimmungen der Länder zur ArbStättVO heißt es jetzt unmissverständlich auf S. 11: „So stellen z.B. die Klassenräume in Schulen Arbeitsplätze für die Lehrer dar, auch wenn sich einzelne Lehrer nur jeweils für eine Unterrichtstunde an diesen Arbeitsplätzen aufhalten müssen.“
Die früher (2004) in der Verordnung gemachte Einschränkung „(2) Arbeitsplätze sind Bereiche von Arbeitsstätten, in denen sich Beschäftigte bei der von ihnen auszuübenden Tätigkeit regelmäßig über einen längeren Zeitraum oder im Verlauf der täglichen Arbeitszeit nicht nur kurzfristig aufhalten müssen“ ist nunmehr ersatzlos weggefallen und durch die Formulierung (2016) "(1) Arbeitsstätten sind: 1. Arbeitsräume oder andere Orte in Gebäuden auf dem Gelände eines Betriebes, 2. Orte im Freien auf dem Gelände eines Betriebes“ ersetzt worden. (Vgl. Synopse alte und neue ArbStättV)
Damit dürften alte Auslegungen, dass die Unterrichtsräume und insbesondere auch das sog. ‚Lehrerzimmer’ sowie die Pausenaufsichtsbereiche drinnen wie draußen der ArbStättV nicht unterfallen, ab dem 3.12.2016 nicht mehr möglich sein. Es gibt aber eine Bestandschutzregelung (hinfällig bei grundlegenden Sanierungsmaßnahmen), die allerdings zum 31.12.2020 ausläuft.
Zu 2.: Pausenraum oder Büroräume
Die VO lässt dem Arbeitgeber zwei Möglichkeiten – entweder er stellt den Beschäftigten einen 'von Arbeit freien Pausenraum' zur Verfügung oder er lässt die Mitarbeiter in Büroräumen arbeiten. Für beides gibt es in den ASR (Arbeitsschutzregeln = Ausführungsbestimmungen der ArbStättV) eindeutige Vorgaben:
„Pausenräume sind allseits umschlossene Räume, die der Erholung oder dem Aufenthalt der Beschäftigten während der Pause oder bei Arbeitsunterbrechung dienen.... Pausenräume und Pausenbereiche müssen frei von arbeitsbedingten Störungen (z. B. durch Produktionsabläufe, Publikumsverkehr, Telefonate) sein.“
Das überkommene Lehrerzimmer mit seiner Überfrachtung an vielfältigen Funktionen (Vorbereiten, Korrigieren, Pause machen, dienstlich oder privat kommunizieren, ablegen, verwalten, telefonieren usw.) dürfte mit diesen Vorgaben nicht mehr kompatibel sein.
Für die Büroräume gelten zudem recht klare Flächenvorgaben: „Unabhängig von Absatz 1 und von der Tätigkeit dürfen als Arbeitsräume nur Räume genutzt werden, deren Grundflächen mindestens 8 m2 für einen Arbeitsplatz zuzüglich mindestens 6 m2 für jeden weiteren Arbeitsplatz betragen.“
Bzgl. der Werte: Baden-Württemberg lässt grüßen. ( Modellraumprogramm z.B. 'Grundschulen' oder 'Gymnasien')
Allerdings gibt es hier eine Unschärfe, weil diese Bestimmungen nicht für Beschäftigte gelten, „die auf Grund des Arbeitszeitgesetzes keinen Anspruch auf Ruhepausen haben (z. B. Teilzeitkräfte mit bis zu sechs Stunden täglicher Arbeitszeit.)“ (Arbeitszeitverordnungen für Beamte sehen entsprechende Pausenregelungen nach 6 Std. Arbeit zwingend vor.) Diese Bestimmung geht aber von einer zusammenhängenden Arbeitszeit von z.B. 8-14 Uhr aus – inwieweit teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte darunter fallen, ist derzeit nicht geklärt.
Aber da der Trend bundesweit zur Einrichtung von Ganztagsschulen geht, dürfte die 14.00 Uhr-Grenze über kurz oder lang immer häufiger überschritten werden. Und Baden-Württemberg sorgt bereits heute vor.
Zu 3.: Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
Auch hier hilft der Blick nach Baden-Württemberg weiter und auf die dort erfolgte Untersuchung „Personenbezogene Gefährdungsbeurteilung an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg - Erhebung psychosozialer Faktoren bei der Arbeit“. Zentrales Ergebnis dieser Befragung von ca. 54 000 Lehrkräften ist der sog. ‚Work-Privacy-Conflict’als Burnout-Prädictor, also dass die Beschäftigten es als äußerst problematisch empfinden, nicht ausreichend zwischen der Arbeitssphäre und dem privaten Leben trennen zu können. (Grafik auf S. 60). Auch dass als zweithöchst gerankter Belastungsfaktor die 'Lärm- und Stimmbelastung' identifiziert wurde, weist eindeutig auf Ausstattungsmängel im Schulhausbau hin, denn mit heutiger Lärmdämmtechnik besteht ohne Weiteres die Möglichkeit, hier Abhilfe zu schaffen. (Vgl. Registerkarte 'Lärm' auf dieser Seite)
Für die Nicht-Einhaltung der Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung gibt es sogar einen umfangreichen Bußgeldkatalog. Der gilt auch für Verantwortliche von Dienststellen des öffentlichen Dienstes. Wer es nicht glaubt, kann es hier nachlesen!