Burnout & Stress

Ursachen von Burnout

Am Beispiel von Ariane Fischer (Name geändert), Direktorin in einer Bank, skizziere ich Ihnen die Ursachen für eine Burnout-Entwicklung. Leider hat sie zehn Jahre vor ihrer Berentung den Hut nehmen müssen. 

Ariane Fischer ist Diplom-Betriebswirtin, 52 Jahre alt, verheiratet, mit zwei erwachsenen Kindern. Sie selbst ist die älteste Tochter von drei Kindern. Beide Eltern hatten die Volksschule besucht; der Vater arbeitete Zeit seines Lebens auf dem Bau, die Mutter blieb zu Hause. Die Eltern wollten, dass aus ihrer Tochter etwas werden solle und so haben sie sie darin unterstützt – mit dem, was ihnen möglich war – das Abitur zu machen.
Als Ariane Fischer 13 Jahre alt war, wurde die Mutter schwer krank und konnte den Haushalt nicht mehr alleine führen. Die Tochter musste der Mutter neben der Schule unter die Arme greifen. Obendrein hatte sie noch auf ihre beiden jüngeren Geschwister aufzupassen.
Das Studium hat sie sich selbst finanziert, indem sie abends und an den Wochenenden arbeitete. Noch während des Studiums wurde sie mit ihrem ersten Kind schwanger und heiratete ihren heutigen Ehemann. Mit ihrer Tochter im Schlepptau schloss sie das Studium ab und gebar bald darauf ihren Sohn. Da die junge Familie finanziell knapp war, fing sie schon bald wieder an zu arbeiten – in Teilzeit. Glücklicherweise lebte sie in einer großen Stadt und bekam zwei Plätze in einem Kinderladen. Als beide Kinder schließlich in einer Walldorfschule ganztags betreut wurden, entschloss sie sich, wieder mehr zu arbeiten. Nach kurzer Zeit bekam sie einen Vollzeitjob mit Mitarbeiterverantwortung, denn ihr Chef schätzte sie sehr und erkannte ihre Fähigkeiten. So arbeitete sie zwischen 8 und 17 Uhr in der Bank. Anschließend war sie für ihre Kinder da. Zusätzlich war sie im Elternbeirat und engagiertes Kirchenmitglied. Als es ihren Eltern immer schlechter ging, kümmerte sie sich um diese. Ihr Mann hatte mittlerweile ebenfalls Karriere gemacht und war häufig geschäftlich unterwegs. Im Laufe der Jahre ist Ariane Fischer in ihrer Bank weitere Karriereschritte gegangen. Zuletzt leitete sie eine Abteilung mit 400 Mitarbeitern. Sie hatte diese Aufgabe vor drei Jahren übernommen und mit der gesamten Abteilung an- spruchsvolle Umstrukturierungen durchziehen müssen. Das hatte allen viele Überstunden abverlangt. Doch mit dem neuen Jahr freuten sich alle wieder auf ruhigere Zeiten, um die Ernte der Anstrengungen einzufahren. Doch schon im März des Jahres wurde Ariane Fischer vom Vorstand darüber informiert, dass ein großer Teil der Arbeit nach Asien outgesourct werden solle. Genaueres stand monatelang nicht fest. Sie musste schweigen. Fest stand nur, dass etwa 200 ihrer Mitarbeiter gehen mussten. Erst im Dezember sollte Ariane Fischer damit beginnen, ihren Abteilungen und Teams diese Hiobsbotschaft zu überbringen.
Mich suchte Ariane Fischer im November des Jahres auf. Sie wirkte abgekämpft und müde. Eigentlich wollte sie nur ein paar Stunden Coaching, um sich Rat zu holen, wie sie diese Hiobsbotschaft am besten überbringen könne, um die Kündigung klar, doch wertschätzend zu kommunizieren. Das konnten wir schnell klären. Im Laufe der Gespräche jedoch dämmerte ihr, dass ihr Akku nicht mal kurz leer, sondern nie richtig voll gewesen ist. Sie war ernstlich krank – das wurde ihr schlagartig klar. Ariane Fischer berichtete nun im Nachhinein, dass sie seit drei Jahren unter außergewöhnlich vielen Infekten gelitten hatte. Mindestens drei Mal im Jahr hatte sie eine über Wochen anhaltende Erkältung gehabt. Sie sei dennoch zur Arbeit gegangen, doch ein angeschlagenes Gefühl hatte sie beständig gehabt. Etwa seit dem Herbst des Jahres litt Ariane Fischer unter chronischer Erschöpfung, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, sozialem Rückzug und Konzentrationsstörungen. Da sie als starke Frau schon immer viel getragen hat, konnte sie sich diese Schwäche nicht eingestehen. So hat sie weiter gemacht – immer weiter. Da sie nicht mehr so leistungsfähig war wie sonst, wollte sie das mit noch mehr Überstunden kompensieren. Doch trotz höherem Einsatz wurden ihre Ergebnisse nicht besser. Jedes Wochenende nahm sie Arbeit mit nach Hause und konnte nicht mehr abschalten. Um abends überhaupt zur Ruhe zu kommen, nahm sie Beruhigungstabletten. Gegenüber ihren loyalen Mitarbeiter hatte sie ein schlechtes Gewissen; sie fühlte sich als Versagerin. Die regelmäßigen Besuche bei ihren Eltern waren nur noch Stress und so wuchsen die Schuldgefühle. Ihre Ehrenämter legte sie schließlich auch noch nieder – auch auf mein Anraten hin. Der Burnout kam plötzlich. Nachdem sie unter Aufbieten ihrer letzten Energiereserven allen Teams in ausführlichen Gesprächen die strategische Unternehmensentscheidung vermittelt und zwei Tage vor Weihnachten abgeschlossen hatte, brach sie in den Weihnachtsferien zusammen. Sie litt unter Panikattacken, Schwindelgefühl, Zittern, Herzrasen mit Exrasystolen und Weinkrämpfen. Sie kam während der ganzen Weihnachtsferien nicht mehr auf die Beine. Auch hinterher nicht. Ihr Körper streikte vollständig. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Dies ging monatelang – bis sie beschloss, in eine Burnout-Klinik zu gehen. Doch auch nach dem Klinikaufenthalt wurde sie nicht mehr arbeitsfähig. Mit 53 Jahren richtete sie sich darauf ein, Frührentnerin zu werden.

Anhand des Fallbeispiels von Ariane Fischer möchte ich Ihnen das Zusammenspiel mehrerer Ursachen aufzeigen. Zum einen die individuelle Disposition, also dem, was der Mensch an Anlagen und Erfahrungswerten als Ressource als auch als Ballast mitbringt. Zum anderen, die belastenden Umgebungsbedingungen, mit denen sich ein Mensch auseinandersetzen muss.
Im Folgenden beziehe ich mich zudem auf das Beispiel von Herrn Möller aus dem Blog-Eintrag "Die fünf Phasen einer Burnout-Entwicklung".

1. Persönliche Ursachen für eine Burnout-Entwicklung

Helfersyndrom
Menschen mit Helfersyndrom haben in der Regel wenig emotionale Unterstützung von ihrem Elternhaus erhalten bzw. sind bereits als Kind in die Elternfunktion gegangen, weil die Eltern selbst diese Rolle nicht ausüben konnten. Gründe dafür können etwa Alkoholismus oder Ehestreitigkeiten sein. Ariane Fischer hat wenig Kind sein dürfen und sehr früh sehr viel Verantwortung übernehmen müssen. Sie hat gelernt, dass alles in Ordnung ist, wenn sie hilft, und wenn sie nicht hilft und „ihr Ding macht“, eine Katastrophe ausbrechen würde.
In meinen Burnout-Seminaren sehe ich außergewöhnlich viele Menschen, die wenig emotionale Unterstützung von ihrem Elternhaus erhalten haben. Ebenso häufig erlebe ich, dass die Eltern dieser Kinder von damals im Grunde gar nicht die Eltern-Rolle übernommen hatten, so dass die Kinder viel zu früh quasi erwachsen sein mussten.
Der überwiegende Anteil der Seminarteilnehmer stammen aus Elternhäusern mit einem geringen Bildungshintergrund. Selbst haben sie dann fast alle den höheren Bildungsweg eingeschlagen oder sonst innerhalb der Betriebe Karriere gemacht.
Hinter dem Geben steckt der Wunsch danach, etwas zu bekommen, was sie nie bekommen haben.

Perfektionisten
Ariane Fischer konnte nicht auf einen stabilen Bildungshintergrund zurückgreifen. Sie wusste, dass sie ihren Eltern eine Freude bereitet, wenn sie Abitur macht und erfolgreich wird. Sie wollte nicht enttäuschen und das stellt ein schwere Last dar und wurde zum Grundstein
für ihren Perfektionismus. Sowohl ihre Eltern als auch ihre Lehrer und später ihre Chefs und Mitarbeiter konnten sich darauf verlassen, dass alles, was sie in die Hand nahm, mit größter Sorgfalt erledigt werden würde.
Es sind in erster Linie die Perfektionisten, die an Burnout erkranken.
Dies sind Menschen, die sich mit 100%-iger Arbeit nicht zufrieden geben, sondern 200%-ig sein müssen.
Es sind diejenigen unter Ihnen, die eine Aufgabe ganz oder gar nicht erledigen – ganz gleich wie viel Zeit dies kostet.
Es sind die, auf die sich Ihr Chef absolut verlassen kann. Wenn der Chef Ihnen eine Aufgabe überträgt, kann er mit Gewissheit davon ausgehen, dass diese Aufgabe fehlerfrei erledigt wird und zwar in dem Zeitrahmen, den er Ihnen vorgibt. Notfalls nehmen Sie die Arbeit halt mit nach Hause…
Doch was ist, wenn Perfektionisten immer neue Aufträge erteilt bekommen? Wenn sich die Marschroute wöchentlich oder gar täglich ändert? Wenn Sie alle 25 Minuten per Mail eine neue Aufgabe zugeschickt bekommen, die Sie schnell nebenher erledigen müssen. Wenn Sie aufgrund der vielen Unterbrechungen nicht mehr zu dem kommen, was sie eigentlich tun müssten.
Wie fühlen sich Perfektionisten, wenn sie etwas liegen lassen müssen? – Als Versager!
Und was tut ein Perfektionist, der versagt hat? - Er arbeitet alles nach – und wenn es sein muss - tage- und nächtelang.
Nahezu alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an meinen Burnout-Seminaren erweisen sich als Perfektionisten.
Es sind Menschen, die für ihren Job so lange brennen, bis sie ausgebrannt sind. Es sind Menschen mit verantwortungsvollen Posten, die sich bis zur totalen Erschöpfung für ihren Beruf geopfert haben.
Es sind Menschen, die für die Arbeit leben.

Neurotizismus
In der psychologischen Forschung hat man unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale zu unterscheiden gelernt.
Die Burnout-Forschung hat nun wiederum festgestellt, dass Menschen mit einem ganz bestimmten Persönlichkeitsmerkmal besonders häufig an Burnout erkranken.
Dieses Merkmal nennt man Neurotizismus:
Es beschreibt Menschen, die folgende Merkmale aufweisen:
• emotional labil
• neigen zu Nervosität
• beklagen sich oft über körperliche Schmerzen (Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, Schwindelanfälle etc.)
• beklagen sich oft über Ärger und Ängste
• reagieren schnell auf Stress, Stressreaktionen klingen langsamer ab

Es liegt auf der Hand, dass diese Menschen leichter als andere auf Stress und Druck reagieren. Es sind Menschen, die leichter zu Opfern von äußeren Prozessen werden. Menschen, die ängstlicher und unflexibler auf Veränderungsprozesse reagieren. Frau Maslach bezeichnet diese als „verschlissene Menschen“.
Ich würde schlicht sagen, diese Menschen sind weniger belastbar als andere und somit rascher überfordert. Es ist wichtig darauf zu achten, dass sie eine Arbeit finden, die zu ihnen passt und die nicht zu hektisch ist.
Dies waren die 3 wichtigsten individuellen Dispositionen für eine Burnout-Entwicklung. Wie angekündigt, zeige ich Ihnen nun Ursachen, die in der Organisation, dem Unternehmen oder allgemein ausgedrückt, dem Umfeld des Erkrankten liegen.



2. organisationale Ursachen von Burnout

Frau Maslach ist die bekannteste Burnout-Forscherin weltweit. Ihr Verdienst ist ein erheblicher Anteil unseres heutigen Wissens als auch des bekanntesten Fragebogens zur Burnout-Diagnostik – dem MBI (Maslach Burnout Inventory).
Frau Maslach hat vor etwa 15 Jahren in den USA den Zusammenhang von Burnout und Unternehmensmerkmalen untersucht. Bis dahin galt Burnout als ein individuelles Problem. Mittlerweile kennt man das Zusammenspiel von Unternehmen / Führungsstil und Persönlichkeitsmerkmalen des Erkrankten.
In ihrer Forschung konnte Frau Maslach 6 Ursachen für Burnout herausstellen, die im Unternehmen selbst begründet sind.
Anhand des Beispiels von Ariane Fischer und Herrn Möller möchte ich Ihnen diese 6 Ursachen von Burnout näher bringen.

1. Wertekonflikt
Ein Wertekonflikt liegt dann vor, wenn jemand etwas tun muss, hinter dem er oder sie nicht mit den eigenen Werten stehen kann. Weder Jürgen Möller noch Ariane Fischer konnten die geänderten Unternehmensziele mit gutem Gewissen umsetzen. Jürgen Möller musste zum „bösen Chef“ mutieren und Ariane Fischer musste die Hälfte ihrer Belegschaft entlassen, „nur“, weil global kostengünstiger produziert werden sollte.
Der Wertekonflikt ist ein Faktor, den fast alle meine Burnout-Erkrankten als Mit-Ursache für die Entstehung ihres Burnouts anführen. Was ist, wenn ich etwas tun muss, hinter dem ich nicht stehe? Wie geht es der Krankenschwester, die nur noch im Laufschritt über die Station läuft, statt Zeit für ihre Patienten zu haben? Wie geht es den Ärzten heute, die – um wirtschaftlich arbeiten zu können – die Patienten Tag für Tag durchschleusen ohne Zeit zu haben? Wie geht es Lehrern, die kaum noch Zeit für das Eingehen auf einzelne Schüler haben?
Alle diese Menschen wählten ihren Beruf mit einer bestimmten Absicht und Haltung. Alle haben eigene Werte, für die sie grade stehen möchten. Doch was passiert, wenn man diesen Menschen die Möglichkeit nimmt, diese Werte umzusetzen?

2. Mangel an eigener Kontrolle
Der Mangel an eigener Kontrolle durch die Zunahme von Vorschriften führt zu Unzufriedenheit, Ärger, Stress und gegebenenfalls zu Dienst nach Vorschrift. Anders ausgedrückt: Wenn man einen engagierten und guten Mitarbeiter oder eine Führungsperson einbremsen möchte und maximal wenig Leistung wünscht, errichtet man eine perfekt funktionierende Formalisierung sämtlicher Arbeitsprozesse und überwacht diese mit Hilfe einer Kontrollabteilung. Wissenschaftlich gesehen ist das die größte Ressourcenvernichtung, die man sich ausdenken kann. Menschen arbeiten dann am besten, wenn sie klare Rahmen, klare Aufgaben und genügend Hilfsmittel zur Verfügung gestellt bekommen.
Herr Möller bekam immer mehr Vorgaben, was er zu tun hatte. Er selbst konnte nicht mehr so entscheiden, wie früher. Wenn er sich vor dem Hintergrund seiner Erfahrung so entschieden hatte, wie er es für richtig hielt, musste er darüber Rechenschaft ablegen. Im Grunde wurde er immer mehr Handlanger eines Systems. Letztlich konnte er sich nicht mehr frei bewegen, sondern fühlte sich wie in einem Korsett.

3. Mangel an Fairness
Eine Arbeitsstelle wird als fair empfunden, wenn drei Grundanforderungen erfüllt sind:
Vertrauen, Offenheit, Respekt.
Dies konnte Herr Möller auch jahrelang genießen. Er wurde immer zeitnah von seinem Chef über Änderungen unterrichtet, hatte ein offenes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern und zu seinen Vorgesetzten und wurde mit Respekt behandelt.
Klar, dass er mit Freude Überstunden gemacht hat! Er konnte sich mit seinem Unternehmen identifizieren und hat alles für das Unternehmen gegeben.
Auch Ariane Fischer hat ihre Abteilung mit Fairness und Wertschätzung geführt. Ihre Mitarbeiter waren loyal, haben gerne für sie gearbeitet und die Balance zwischen Einsatz und Anerkennung stimmte. Die Stimmung war gut, die Mitarbeiter haben als Team gearbeitet.
Ein Mangel an Fairness beruht auf mangelndem Respekt und führt zum Verlust von Selbstwertgefühl. Obwohl dies keine neuen Erkenntnisse sind, ist unfaires Verhalten in Unternehmen häufig anzutreffen – sowohl von Vorgesetzten als auch von Kollegen. Fairness setzt Einfühlung und Mitdenken voraus. Es setzt voraus, dass man als Vorgesetzter die Ziele der gesamten Abteilung im Kopf hat und nicht affektgesteuert regiert. Doch, wer die eigene Laune nicht kontrollieren kann, der hat auf Dauer Mitarbeiter, die entweder im Widerstand oder gebrochen und somit kaum noch leistungsfähig sind. In solchen Abteilungen findet man häufig Streit und Mobbing unter den Mitarbeitern.
Führungskräfte, die häufig cholerisch sind oder aufgrund ihrer eigenen Überforderung / Burnout-Entwicklung cholerisch, unfair und ungerecht geworden sind, sollten sich für sich selbst und zum Wohle der Mitarbeiter Unterstützung suchen.

4. Mangel an Gemeinschaft
Herr Möller hatte sich sehr zurückgezogen. Wie fast alle meiner Patienten, die unter sehr großem Stress leiden. Man macht nur noch das Wichtigste. Zu mehr reicht die Kraft nicht. Und das Wichtigste ist für die meisten Perfektionisten, die Arbeit zu schaffen. Das Leben und der Arbeitsalltag reduzieren sich auf dieses Vorhaben. Kinobesuche, Freunde, sogar das Familienleben bleiben im Laufe der Monate auf der Strecke. Bei der Arbeit erscheint ein Mensch in einer Burnout-Entwicklung nicht mehr bei kollegialen Treffen. Der Kopf ist voll. Zu voll.
Mangel an Gemeinschaft zu erleben, ist häufig Folge von Teamproblemen und auch Ausdruck eines fortschreitenden Burnout-Prozesses. Gemeinschaft, Teamarbeit und soziale Kontakte sind nach wissenschaftlichen Untersuchungen die wichtigste Ressource für psychische Gesundheit. Wir Menschen sind soziale Wesen. Diverse Untersuchungen, die Umgebungen mit eingeschränkten Sozialkontakten (etwa Klinikaufenthalte, Haft oder Altenheime) untersucht haben, konnten Symptome psychischer Deprivation feststellen. Deprivation bedeutet Verlust und Entbehrung sozialer Kontakte. Im Säuglingsalter kann dies zum Tod führen, im Erwachsenenalter zu Ängstlichkeit und Depression. Das heißt: Menschen brauchen gute und unterstützende soziale Kontakte, um gesund und leistungsfähig zu sein. Sobald ein Mensch sich sozial isoliert oder isoliert wird, läuft er auf Dauer Gefahr, psychisch zu erkranken.
Ein gutes Auskommen innerhalb einer Abteilung führt zu einer entspannten Arbeitsatmosphäre und dies wiederum führt zu einer höheren Produktivität. Vorgesetzte, die den Kontakt der Kollegen untereinander fördern, haben zwar vielleicht 20 Min. Kaffe- und Raucherpausen in Kauf zu nehmen, dafür werden sie jedoch mit der besseren Leistung belohnt.

5. Arbeitsüberlastung
Kennen Sie das? Sie fahren mit einem Auto auf der A8 von Karlsruhe nach Pforzheim und das Auto wird am Berg immer langsamer. Sie können Gas geben so viel Sie wollen – mehr holen Sie nicht aus der Maschine raus. Das Auto ist demnach an die Grenzen des Machbaren gestoßen. Früher wurden die Autos zu heiß und standen – wenn man das Auto zu sehr getreten hatte – auf dem Randstreifen der Autobahn und dampften vor sich hin.
Wir erkennen die Grenzen von Maschinen als gegeben an.
Doch leider hat sich diese Erkenntnis noch nicht in Bezug auf die Produktionssteigerung von Mitarbeitern / von Menschen herumgesprochen.
Immer mehr Arbeitnehmer laufen monatelang am Limit und werden dennoch weiter getreten – bis sie nicht mehr können.

6. Mangel an Belohnung
Ich möchte diese Ursache von Burnout mit einem sehr eingängigen und wie ich finde, sehr treffenden Modell - dem der Gratifikationskrise von Prof. Johannes Siegrist erläutern.
Eine Gratifikationskrise - eine Belohnungskrise - gilt ebenfalls als sehr häufige Ursache für negativen Stress im Arbeitskontext. Hier geht es um ein Gleichgewicht aus Belohnung (Gehalt, Aufstiegsmöglichkeiten, Dienstwagen), Anerkennung und Wertschätzung. Zwischen der Ausgabe- und der Einnahme-Seite sollte ein Gleichgewicht bestehen. Eine ungesunde Schieflage entsteht, wenn dauerhaft keine Balance hergestellt werden kann. Bei einem Vorgesetzten, der diese inhaltliche Schieflage auffängt, indem er auf der persönlichen Ebene unterstützend und wertschätzend ist und dem Mitarbeiter Freiräume und interessante Aufgaben zugesteht, kommt es nicht zu einer Gratifikationskrise. Denn wichtiger als die monetäre Belohnung ist die Beziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter und ein gutes Arbeitsklima. Dies konnte Ariane Fischer bis zur Verkündung der Hiobsbotschaft so leben und aufrecht erhalten. Dass diese Menschen trotz des Arbeitsplatzverlustes vermutlich nicht in ein Burnout fielen lag vor allem daran, dass Ariane Fischer den betroffenen 200 Mitarbeitern in kleinen Gruppen sehr persönlich und emotional für deren Leistung dankte und und die politische Entscheidung erklärte, so dass keiner diese Entscheidung als gegen sich gerichtet interpretieren konnte. "Du bist ein toller Mitarbeiter, aber die Globalisierung zwingt das Unternehmen..."
Auch für Herrn Möller stimmte die Belohnung und Anerkennung bis zu dem Zeitpunkt, als alles anders wurde. Er bekam ein angemessenes Gehalt, er bekam Wertschätzung von seinen Untergebenen und von seinem Vorgesetzten, er hatte Aufstiegsmöglichkeiten und sein Job war ihm sicher. Das, was er bekam, wog das aus, was er leistete – also das, was von ihm verlangt wurde und das, was er von sich selbst verlangte.
Solange das Gleichgewicht zwischen Belohnung und Verausgabung (also Einnahme und Ausgabe) stimmt, ist die Psyche auch im Lot.
Doch wenn die Ausgabe die Einnahme immer wieder oder dauerhaft übersteigt, wird jedes Konto mal leer sein. Naja, beim Konto ist es ja so, dass Sie meistens ein Pölsterchen angespart haben. So ist es auch mit der Psyche. Doch irgendwann ist dieses Pölsterchen auch nicht mehr da – und sie gehen in die Miesen. Das führt leicht mal zu schlaflosen Nächten… Und so ist es auch mit der Psyche. Wir erleben negativen Stress (sog. Distress). Und nach dem Medizinsoziologen Johannes Siegrist führt diese fehlende Wertschätzung und menschliche Anerkennung in eine Krise – der sog. Gratifikationskrise.
Mit diesem Modell wird deutlich, dass Menschen, die arbeiten, menschliche Bedürfnisse haben – nämlich schlicht die, nach Anerkennung und Wertschätzung.
Die Deutschen loben zu wenig – so lese ich immer wieder in Zeitungen, die sich zum Thema der Arbeit äußern. Und die Schwaben leben ihr "net gschimpft isch globt gnug"...